Erziehung
Einen Schwerpunkt ihrer Interessen bildete die Erziehung der Jugend. Dass Erziehung und (Aus-)Bildung gleichermaßen für Mädchen und Jungen entscheidend sind, dafür trat Anna Siemsen ein und für dieses Ziel kämpfte sie. Nicht unumstritten war aber zu ihrer Zeit eine weitere Forderung: Frauen und Männer müssten gleichberechtigt und in gleicher Anzahl an der Erziehung und Bildung der Kinder und Jugendlichen teilnehmen. Die Erziehung der Jugend war ihrer Überzeugung nach nicht zu trennen von gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Das hieß für sie, dass Erziehung immer auch politisch sei.
Ihr Verständnis von Erziehung führte sie in Deutschland wie auch in der Schweiz zur Tätigkeit in der Arbeiterjugendbewegung, der Arbeiterbildung und der sozialdemokratischen Bildungsarbeit. Anna Siemsen fand Anerkennung innerhalb der deutschen und internationalen Falkenbewegung, der SPD und weit über die Arbeiterorganisationen hinaus.
Sie engagierte sich parteipolitisch für die SPD - überwiegend für die Sozialdemokraten, müsste man hier besser schreiben. Denn auch in der Politik war sie eine Querdenkerin, die sich nicht der Parteidisziplin unterordnete, was u.a. ihre kürzeren Parteizugehörigkeiten bei der USPD und der SAP aufzeigen.
Obwohl Anna Siemsen zu den herausragendsten sozialistischen PädagogInnen gezählt werden darf, taucht ihr Name in der bürgerlichen pädagogischen Historiographie kaum oder gar nicht auf. Mit ein Grund hierfür ist, dass nach ihrem Tod 1951 kaum eines ihrer Bücher wieder aufgelegt wurde.
1933 waren Mitglieder der KPD, SozialdemokratInnen und SozialistInnen als erste von Repressionen und Verfolgung durch die Nationalsozialisten betroffen. Insbesondere progressive PädagogInnen waren sehr früh Sanktionen ausgesetzt, da die neuen Machthaber für ihre politischen Ziele die deutsche Jugend ganz und gar für sich vereinnahmen wollten. Dabei waren PädagogInnen hinderlich, die mit demokratischen Lehr- und Lernformen arbeiteten und die Kinder und Jugendlichen zu selbstbewussten und selbstverantwortlichen Mitgliedern der Gesellschaft erziehen wollten. Hierzu zählten exponierte PädagogInnen wie z.B. Kurt Löwenstein, Minna Specht, Fritz Karsen und Anna Siemsen, um hier nur einige zu nennen, die schon früh ins Exil gingen. Aber im Gegensatz zu den meisten der emigrierten PädagogInnen wollte Anna Siemsen seit Beginn ihres Exils nach Deutschland zurückkehren, wollte mithelfen am Wiederaufbau dessen, was die Nazis zerstört hatten. Auch sollte die Schaffung eines friedlichen Europas, für das sie sich auch schon während ihres Exils eingesetzt hatte, nach ihrer Rückkehr nach Deutschland ein Arbeitsschwerpunkt werden. Dafür arbeitete sie im Schweizer Exil Konzepte für eine LehrerInnenausbildung aus, die auf demokratischen Grundprinzipien fußten. Ihr wurde früh bewusst, dass Deutschland nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes neue Lehrerinnen und Lehrer brauchen würde, und darauf wollte sie vorbereitet sein.