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Auf der Archivtagung 2012 soll geprüft werden, ob und wie dieses Bild von der Existenz fest strukturierter Gruppen der Arbeiterjugendbewegung mit der geschichtlichen Wirklichkeit übereinstimmt. Es deutet sich an, bedarf aber der quellengestützten Bestätigung, dass es festgefügte Gruppen in der Frühphase der Arbeiterjugendbewegung von den Anfängen bis 1918/1919 noch gar nicht gegeben hat. Soweit zu sehen ist, zeigen die erhaltenen schriftlichen Quellen das Bild einer Bewegung, die in starkem Maße durch Versammlungen und Veranstaltungen geprägt war. Diese Versammlungen und Veranstaltungen wurden in der Arbeiterpresse angekündigt, waren öffentlich und wandten sich ganz allgemein an die örtliche Arbeiterjugend. Was die Versammlungen anging, war die klassische Form die des öffentlichen Vortrags, der die Anwesenden informieren und belehren sollte.

Die Veranstaltungen, etwa Ausflüge, Feste und Feiern, waren ebenfalls öffentliche Angebote, bei denen die Zahl der Teilnehmenden sehr groß sein konnte. Einen formal engeren Bezug zur Jugendbewegung gingen die Jungen und Mädchen ein, die zu den Abonnenten der Zeitschrift »Arbeiterjugend« gehörten. Bei den Genossinnen und Genossen, die die örtliche Jugendarbeit trugen, handelte es sich offenbar um jüngere Erwachsene, die in den örtlichen Jugendausschüssen eng mit Partei und Gewerkschaften zusammenarbeiteten. Insgesamt betrachtet stellt sich der Eindruck dar, dass die frühe Arbeiterjugendbewegung die Organisations- und Aktionsformen der SPD aufnahm und für ihre Zwecke verwendete, insbesondere durch eine Konzentration auf öffentliche Aktionsformen. Ob es darüber hinaus auch Arbeiterjugendgruppen im eingangs skizzierten Sinne gegeben hat und in welcher Weise diese Gruppen tätig waren, sollte untersucht werden. In der Weimarer Republik vollzog die Arbeiterjugendbewegung eine Hinwendung zum Erziehungsgedanken und damit auch zur Gruppenarbeit. Besonders ausgeprägt zeigt sich dies im Aufstieg der Kinderfreundebewegung und in den Schriften ihres Leiters und Theoretikers Kurt Löwenstein.

ksplakat grDie Zeltlager und Kinderrepubliken, die die Kinderfreunde durchführten, machen diese Wende besonders deutlich. Es wäre näher zu erforschen, wie sich die normale Gruppenarbeit der Kinderfreunde, die in den Ortsgruppen geleistet wurde, darstellte und inwieweit sie den programmatisch hochgesteckten Ansprüchen der Bewegung gerecht werden konnte. Auch in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) entwickelte sich in der Weimarer Republik die Tätigkeit von örtlichen Gruppen mit einem eigenen Gruppenleben. Besonders in den ersten Jahren der Weimarer Republik wurde des Öfteren die Klage erhoben, dass manche SAJ-Gruppen vergleichsweise unpolitisch und rein jugendbewegt gewesen seien. Es fragt sich, wie dies zu bewerten ist und ob die noch vorhandenen Quellen hierzu nähere Auskunft geben können. Sicherlich ist zu konstatieren, dass der Bewegung der sozialistischen Jugendlichen eine Persönlichkeit wie Kurt Löwenstein fehlte, die in der Lage gewesen wäre, Formen und Inhalte der Arbeit der SAJ ähnlich verbindlich zu formulieren.

Es wäre spannend, durch künftige Forschungen Näheres über die konkrete Gruppenarbeit der SAJ und deren Entwicklung im Verlauf der Weimarer Republik zu erfahren. Der Erziehungsgedanke in der sozialdemokratischen Arbeiterkinder- und Arbeiterjugendbewegung der Weimarer Republik legt nahe, dass die Gruppe für Kinderfreunde und SAJ nicht nur Form und Methode, sondern in wohlverstandener Weise auch Ziel war. Ziel insofern, da im konkreten Leben der Gruppe sich bereits im Kleinen das entwickeln sollte, was sich später im Großen und Gesellschaftlichen allgemein durchsetzen sollte. In der dritten Phase der Arbeiterjugendbewegung nach Ende des Zweiten Weltkrieges griff die Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken die Idee von der Gruppenarbeit und den mit ihr verbundenen Erziehungsgedanken wieder auf. Zumindest im eigenen Selbstverständnis wurde die Gruppe anscheinend noch stärker als vorher in den Mittelpunkt gerückt. Die Kinder- und Jugendgruppen der bundesrepublikanischen Falken erhielten einen sehr hohen Stellenwert und werden seither geradezu als eigentlicher Kern des Verbandes begriffen, auf den hin die anderen Verbandsaktivitäten ausgerichtet sind.

In dieser Gewichtung liegt möglicherweise ein anderer Akzent im Vergleich zu den Kinderfreunden und der SAJ. So zeigen etwa die Schriften Kurt Löwensteins das Bild einer sozialistischen Erziehungsbewegung, in der die Gruppe zwar wesentlich ist, die Aktivitäten der Bewegung aber weit über Gruppe und Verband hinausgreifen und auch der sozialistische Pädagoge mitten in den aktuellen Kämpfen steht, bei denen der Übergang in den Sozialismus als vergleichsweise nahe und realistische Perspektive aufleuchtet. Zwar kannten die Gruppen der SJD – Die Falken diese Handlungs- und Zukunftsorientierung ebenfalls – erinnert sei an die Aktivitäten des Verbandes für eine internationale Versöhnung und Verständigung sowie gegen die Wiederbewaffnung und eine atomare Hochrüstung – dennoch scheinen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Selbstverständnis und Praxis der Gruppen in den 1960er-Jahren beeinflusst zu haben.

Der Verband stand in dieser Entwicklungsphase mehr als zuvor in Abhängigkeit zur Sozialdemokratischen Partei, die mit ihrer politischen Wende nach dem Godesberger Programm (1959) die Solidarität des Jugendverbandes erwartete. Das führte im Jugendverband in der ersten Hälfte des folgenden Jahrzehnts zu einer Wende nach innen. Die Jugend- und Protestbewegung seit Ende der 1960er-Jahre beeinflusste die politische und pädagogische Entwicklung der SJD – Die Falken. Die Strömungen innerhalb des Verbandes, die mit Beginn der 1970er-Jahre eine Politisierung und Linkswendung des Verbandes durchsetzen konnten, hielten aber am Konzept der Gruppe als Kernaufgabe fest.

Bestrebungen, den Verband von der Gruppenarbeit stärker auf eine offene Jugendarbeit hin zu orientieren, wurde eine klare Absage erteilt. Formen der offenen Jugendarbeit standen im Verdacht, den Verband durch jugendpflegerische Aktivitäten seiner eigentlichen Aufgabe zu entfremden. Stattdessen galt und gilt bis heute den Falken die fest strukturierte Gruppe als die angemessene Form, Kinder und Jugendliche sozialistisch zu organisieren und in ihrer Entwicklung zu begleiten. Inwieweit diesem selbstgezeichneten Bild des Verbandes allerdings auch eine Realität der Gruppenarbeit entspricht müsste – auch regional differenziert – untersucht werden.

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